Warum immer so ernst? – 6 Beispiele, wie du spielerisch Grenzen setzt

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Sie ziehen ihre Schuhe im Schneckentempo an, wenn wir spät dran sind. Sie vergessen die Klospülung, beschmieren die Küchenfenster und wollen den Fahrradhelm nicht aufsetzen. Sie sagen Dinge, die wir nicht gut finden, hüpfen auf der Couch oder reißen der kleinen Schwester Spielzeuge aus der Hand.

Unsere Kinder.

Und wir?

Wir versuchen, Bedürfnisse zu entschlüsseln und empathisch zu sein. Wir denken über die richtigen Worte, sinnvolle Grenzen und eine unsere Rolle als Vorbilder nach. Wir erklären – und wir wiederholen uns.

All das ist wichtig, keine Frage!

Das Problem ist: Manchmal erreichen wir unsere Kinder auf diese Art nicht. 

Warum sind wir bei Elternthemen eigentlich die meiste Zeit so bierernst? 

Dazu habe ich mit dir eine Anekdote aus meinem Alltag geteilt: Wenn Grenzen setzen nicht funktioniert: Eine kleine Geschichte – und 5 Erkenntnisse

Darin geht es um eine Situation, in der ich meine Grenze klar und wertschätzend kommuniziert habe – und es passierte: nichts.

(Oder zumindest nicht das, was ich mir erhofft hatte! Lies dazu die Geschichte hier.)

Weil ich weiß, dass es nicht nur mir so geht, möchte ich dir (und mir) einen alternativen Weg zeigen, wie wir Grenzen setzen können. Dazu ein ganz wichtiger Tipp: 

Eine Superkraft im Umgang mit Kindern ist Verspieltheit.

Die meisten von uns sind mit einer Haltung von „Tu, was ich dir sage“ aufgewachsen. Und es ist ja auch zum Teil richtig: Kinder brauchen unsere elterliche Führung. Aber:

Wer sagt, dass wir dabei immer so ernst und „erwachsen“ sein müssen?

Wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass ausschweifende Reden bei unseren Kindern manchmal nicht ankommen. Ich selbst bin eine Meisterin im Vorträge halten. Dann werde ich ab einem bestimmten Punkt von meinen Kindern ausgeblendet. Und manchmal kommen Reaktionen wie: „Mama… das weiß ich! Du nervst!“

Hmpf.

Bringen wir ein wenig Spiel und Humor in die Sache, erreichen wir unsere Kinder meist auf einer anderen Ebene: ihrer.

So fühlen sie sich weniger kritisiert und belehrt – und durchs Spiel und Lachen mehr mit uns verbunden.

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Spielerisch Grenzen setzen und Kooperation fördern – Beispiele

Damit du weißt, wovon ich spreche, gebe ich dir ein paar Beispiele, die ich schon ausprobiert habe. Meist führt ein spielerischer Weg dazu, dass meine Kinder (eher) kooperieren. 

Eine Garantie gibt es – natürlich – nicht.

Humor und Späßchen helfen bei den vielen harmlosen Situationen im Alltag, in denen wir alle mehr Leichtigkeit brauchen. Ein spielerischer Weg ist kein „Werkzeug“, sondern eine Art, Verbindung zu deinem Kind aufzubauen, – und eine Hilfestellung für unsere Kinder:

  1. Um leichter kooperieren zu können – dazu 5 Beispiele
  2. Um abstrakte Dinge leichter verstehen zu können – wie das gehen kann, zeige ich dir zum Schluss.

Lies also unbedingt bis zum Ende. Und hier nun ein paar Beispiele:

Beispiel#1: Sachen übertrieben ins Gegenteil verkehren

Der Klassiker: Händewaschen.

„Nein, du DARFST dir jetzt nicht die Hände waschen!!! Iiiiiiih, ist das eklig! Seife!! Bäh…! Na gut, ein KLEINES bisschen ist okay. Aber nicht so viel reiben!! Und, oh nein! Schaum?!? – DAS ist ja widerlich!!! Brrrrr… Spülst du den jetzt etwas mit WASSER ab? Iiiiih… Das ist echt eklig! …schnell, mit dem Handtuch abwischen!“

Beispiel #2: Völlig inkompetent sein

Zähneputzen:

„Was ist DAS denn? Eine Zahnbürste? Wozu ist DIE denn gut? Zäääähne putzen?! So ein Quatsch! – Das ist doch eine Bauchnabel-Bürste. … Nein? Für die Zähne?!? Warum soll man DAS denn machen?“

Oder eine kleine Brücke, um den Heimweg anzutreten:

„Oh, NEIN! Benny! Ich weiß gar nicht mehr, wo unser Auto steht!! Kannst du mir helfen, es zu finden?!?“

(Dein Kind weiß natürlich, dass du Quatsch erzählst und darf kompetent sein.)

Beispiel #3: Superagent*in sein

„Wir müssen uns schnell auf den Weg machen. Aber niemand darf uns sehen. Wir sind Superagenten.“

Schleiche um das Auto herum. Schau dich übertrieben um, dass dich niemand sieht. Sobald alle angeschnallt im Wagen sitzen, flüstern:

„Mission beendet.“ 

Alternativ dazu ist bei uns auch Polizei aller Art beliebt: Wenn z.B. verbotenerweise auf der Couch gehüpft wird (Skandal) und es eine Absperrung braucht, wenn Dinge „geklaut“ werden oder Spielzeugautos immer wieder „falsch parken“.

Beispiel #4: Rollen tauschen

„Ich will, dass DU mir Eis zum Frühstück machst! Mit ganz vielen Keksen! Und Schokoriegeln, die wie Igelstacheln in das Eis gesteckt sind. Mhm… Und die Nase soll eine Kirsche sein. Und das in dem größten Topf, den wir haben!“

„Kannst du MICH tragen? Meine Beine sind so müde… Bitte!!! Och, biiiiiiiii-tttttteeeeee!… Nein? … Hm. Und was ist mit Huckepack?“

So ein Rollentausch bietet sich an, wenn die Stimmung entspannt ist.

Wenn dein Kind müde und verzweifelt getragen werden möchte oder ein wichtiges Bedürfnis erfüllt werden will, ist dieser Weg weniger zu empfehlen.

Beispiel #5: Worte absichtlich missverstehen

Das geht ganz gut bei älteren Kindern – jüngere Kinder wären wahrscheinlich eher irritiert. Als sich mein 5-jähriges Kind z.B. mal über mich geärgert hat und nicht ganz so nette Worte genutzt hat, wie:

„Du bist so eine nervige, alte Mutter.“ (Hoppla. Ja, das mag wohl manchmal sein.)

Weil ich nicht auf seiner Wortwahl und meiner Grenze herumreiten wollte, hab ich die Situation mal so entschärft:

„WAS?! Hast du mich etwa alte MOTTE genannt?!?! (Übertrieben schmollend:) Aber ich bin doch keine MOTTE! … Ach, du hast MUTTER gesagt? Puuuuh, okay. Gut! Jetzt bin ich erleichtert. Wenn ich nämlich eine olle Motte wäre, wärst du ja eine kleine beigefarbene Raupe…“

Ein liebevoll komplizenhafter Blick – und mein Kind wusste, dass ich durchaus richtig verstanden hatte, wir es jetzt aber dabei belassen. Meiner Erfahrung nach ist dies manchmal die bessere Wahl. Vorträge nerven einfach, wissen wir selbst.

Wie wir mit verletzenden Worten unserer Kinder umgehen können und warum es wichtig ist, mehr auf die Botschaft als auf die Wortwahl zu hören – darüber habe ich einen Artikel geschrieben: Wenn Kinder verletzende Dinge sagen – 5 hilfreiche Gedanken und wie du reagieren kannst

In Alltagssituationen: Lachen verbindet

Klar, es gibt Momente, Tage, Phasen, in denen wir einfach keinen Nerv dazu haben, uns eine Unterhose auf den Kopf zu setzen, um unserem Kind die Kooperation im Alltag leichter zu machen.

Und es gibt Momente, in denen uns ein bisschen Albernheit helfen kann.

Unseren Kindern – und uns.

Um spielerisch Grenzen zu setzen, brauchen wir:

  • Mut für Improvisation (und Mut zur Lücke),
  • ein bisschen Humor, der gern kindlich sein darf,
  • Experimentiergeist.

Probier aus, was zu dir und euch passt. Frei von Erwartungen. Und dann schau einfach, was passiert. (Erwachsen und bierernst können wir dann ja immer noch sein.)

Aber nicht nur in alltäglichen Situationen können uns Spiel und Spaß helfen.

Ernste Themen spielerisch umsetzen

Auch zu ernsten Themen und Grenzen gibt es einen spielerischen Zugang.

Beispiel #6: Kleine Rollenspiele

Ich habe mit meinen Kindern z.B. mal das Thema Respekt für Individualität spielerisch aufgegriffen.

Warum?

Ich mag das Konstrukt von „Normal-“ oder „Anderssein“ nicht. Vielmehr möchte ich, dass meine Kinder wissen: Es gibt natürlich Normen, aber kein Normal. Jeder Mensch ist „anders“ und darf sich frei ausdrücken, ohne anderen zu schaden.

Deshalb ist es mir sehr wichtig, dass meine Kinder niemanden auslachen, weil er oder sie z.B. ungewöhnlich aussieht. Und ich möchte auch nicht, dass meine Kinder diejenigen in Kita oder Schule sind, die anderen Kindern das ungute Gefühl vermitteln, nicht okay zu sein.

Das könnte ich meinen Kindern abstrakt erklären. Aber eindrucksvoller ist: Spielen.

Dazu habe ich mir mal eine Mütze und eine Brille übertrieben schief aufgesetzt. Meine Kinder fanden es witzig. Und ich habe gespielt, beleidigt und traurig zu sein, weil sie gelacht haben. (Meine Kinder wussten natürlich, dass es in dem Moment ein Spiel war.) Wir haben dann darüber gesprochen, wie sich jemand fühlt, der ausgelacht wird.

Kurz, spielerisch und simpel. Ohne es pädagogisch aufzublasen.

Mit Figuren und Handpuppen

Situationen mit Puppen, Figuren oder Kuscheltieren nachzuspielen ist bei uns manchmal wirklich – magisch. (Ja, das Wort trifft es tatsächlich.) Greife ich zu unserer Handpuppe* und spiele Konfliktsituationen nach, sind meine Kinder wie gebannt. Ganz aufmerksam und interessiert. Meist bitten sie mich dann, das Spiel nochmal zu wiederholen oder haben Ideen für andere Problemsituationen.

Spielerisch erlebbar bleiben Dinge in Erinnerung. Und ihr in Verbindung.

Auf diese Weise haben sie z.B. auch unsere Spielregel zum (freiwilligen) Teilen von Spielzeug verinnerlicht.

Spielen wir zum Beispiel, dass Handpuppe „Mika“ Kindern Spielzeuge wegnimmt oder sie ärgert, springen meine Kinder sofort in die Situation: Sie verteidigen und trösten das arme Püppchen, dem der Baustein aus der Hand gerissen wurde. Sie erklären Mika, dass es nicht okay ist.

(Okay, und manchmal lassen sie auch Aggressionen an „Mika“ aus – aber auch solche Gefühle sind im Spiel erlaubt und können Teil unseres Gesprächs werden! No shaming. Das Spiel ist für uns so etwas wie ein geschützter Raum. In diesem Fall können wir uns selbst spielen und schützend und empathisch eingreifen.)

Wir überlegen und sprechen darüber, was die Puppe fühlen und denken könnte. Und was genau meine Kinder an der Situation so wütend macht. Und wie mag es „Mika“ jetzt gehen? Warum hat Mika das wohl gemacht? Ich frag meine Kinder, ob sie sowas auch schon mal erlebt haben. Manchmal erzähle ich ihnen, dass Mika noch nie in seinem Leben Spielzeug teilen musste, weil er meist ganz allein spielt und weil er unsere Spielregel nicht kennt. Und dann frage ich meine Kinder: Was können wir denn jetzt machen?

Es entstehen meist richtig tolle – magische – Gespräche. Aus dem Spiel heraus.

(Und wenn nicht, dann nicht.)

Also, Memo an dich und mich:

Wir müssen nicht immer ernst sein, um ernst genommen zu werden. Es geht auch spielerisch.

Hast du schon mal spielerisch eine Grenze gesetzt? Lass uns gern Ideen sammeln – schreib einen Kommentar.

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