Erziehen ohne Schreien: Kennst du deine Trigger?

erziehen ohne schreien träger

Elternsein bringt uns manchmal an unsere Grenzen. Oder besser gesagt: Oft. Und immer wieder. Und manchmal verstehst du es selbst nicht einmal: Hast du dich vielleicht schon mal gefragt, warum dich das Schreien deines Kindes an manchen Tagen innerlich aggressiv macht? Oder warum dich egoistisches Verhalten deines Vierjährigen maßlos aufregt, obwohl du weißt, dass es entwicklungsbedingt absolut normal ist?

Hast du dich schon mal gefragt, warum dir in bestimmten Situationen immer der Kragen platzt? Schimpfen, schreien, Türen knallen, aus dem Zimmer rennen. Und das, obwohl du eigentlich genau das Gegenteil möchtest: Dein Kind entspannt, liebevoll und empathisch begleiten. Ohne zu schreien.

Klar, oft ist es schlicht und einfach unser Stresslevel: Schlafmangel, Mental Load, fehlende Unterstützung, ein nicht artgerechtes Leben als Kleinfamilie mit einer tonnenschweren Verantwortung auf den Schultern. Tag für Tag.

Und wir alle wissen, dass sich unsere Geduld und Empathie unter Stress einfach mal abmelden: „Bin mal kurz weg… Tschö-hö!“

Werfen wir aber einen genaueren Blick auf unsere starken Reaktionen, werden wir feststellen, dass ihr Ursprung in uns selbst liegt. 

Denn da gibt es diese wunden Punkte. Rote Knöpfe. Und: Trigger. 

Jeder von uns hat sie. Und durch sie reagieren wir in Stressmomenten mitunter sehr heftig. 

Wir werden also getriggert. Aber wie genau funktioniert das?

Erziehen ohne Schreien - wenn dein Kind dich triggert

Kinder ohne Schreien erziehen: Alles beginnt beim Thema Trigger.

Wenn wir unsere Kinder ohne Schreien erziehen wollen, sollten wir zuallererst diese wunden Punkte und das Thema Trigger genauer unter die Lupe nehmen. Und verstehen: Warum raste ich eigentlich so aus? Denn nur so bekommen wir die Chance, das zu ändern.

In diesem Artikel bekommst du ein wenig Hintergrundwissen, das dir helfen wird, deine Gefühle und dein Verhalten besser zu verstehen. Er enthält ein paar sehr nützliche Basics in Psychologie aber leicht verständlich und ohne zu viel Fachsprache. Versprochen. 

Diese Basics können dir helfen, deine Trigger leichter zu erkennen und achtsam mit ihnen umzugehen. Denn Selbstbeobachtung ist der erste wichtige Schritt, um in Alltagssituationen mit deinen Kindern weniger schnell aus der Haut zu fahren. Du bringst dein Elternsein damit auf ein bewussteres und entspannteres Level und kommst deinem Ziel vom Erziehen ohne Schreien ein großes Stück näher.

In diesem Artikel erfährst du:

  • warum wir alle einen emotionalen Rucksack auf den Schultern tragen,
  • warum wir in manchen Momenten wie ferngesteuert viel zu heftig auf Lappalien reagieren und selbst wieder zu einem Kind werden,
  • wie typische Reaktionen aussehen können und warum du nicht immer sofort erkennst, dass du getriggert bist
  • und wie du dich verhalten kannst, wenn dein Kind seinen Finger auf einen deiner roten Knöpfe gedrückt hat.

Zum Abschluss gibt’s eine kleine und sehr wirksame praktische Übung zur Selbstreflexion plus Work Sheet für dich obendrauf.

Denn nur Bewusstsein schafft Veränderung.

Disclaimer: In diesem Artikel stelle ich die Wirkungsweise von Triggern aus psychologischer Sicht in den Grundzügen dar. Ich werde darin das sehr komplexe Thema Traumata, das eng mit dem Thema Trigger zusammenhängt, nur kurz berühren. Genauere Erläuterungen überlasse ich den Menschen vom Fach. Solltest du dich dafür interessieren, findest du am Ende des Artikels einige interessante Links mit fundierten Informationen zu Entwicklungstraumata und transgenerationalen Traumata. (Das mag kompliziert klingen, aber ich persönlich halte die Auseinandersetzung mit diesen Themen nicht nur für spannend, sondern auch für augenöffnend. Besonders, wenn du manchmal denkst: „Hoffentlich belaste ich mein Kind nicht mit meinem eigenen Mist…“) Es geht an dieser Stelle nicht um eine Auseinandersetzung mit möglichen eigenen Traumata, sondern um ein Verständnis und das Bewusstmachen deiner wunden Punkte, die dich im Alltag mit deinen Kindern immer wieder aus dem Gleichgewicht bringen und dich so reagieren lassen, wie du es eben nicht möchtest. Mein Artikel soll dir also ein Verständnis für die Wirkung und Funktionsweise von Triggern bieten die Basis für friedvolleres Elternsein. Nicht mehr und nicht weniger.

Also los.

Was sind Trigger?

Das Wort „trigger“ bedeutet Auslöser. Es bezeichnet Situationen, Verhaltensweisen, Erlebnisse oder Dinge, auf die wir reagieren. Emotional und (oder) körperlich.

Um zu verstehen, was Trigger sind und wie sie wirken, lass uns zunächst einen Blick auf den emotionalen Rucksack werfen, den wir alle mit uns herumtragen.

Jeder von uns hat im Lauf seines Lebens zumeist bereits in der frühen Kindheit emotional höchst fordernde Situationen erlebt. Und ich behaupte, nur die wenigsten von uns haben einen ausschließlich gesunden Umgang mit den eigenen Gefühlen gelernt. Leider.

Denn nicht selten haben wir von Kindesbeinen an verinnerlicht, negative Gefühle wie Wut, Schmerz, Traurigkeit, Frust oder Angst zu unterdrücken.

Denken wir doch nur an Sätze wie: 

  • „Das war doch gar nicht so schlimm. Alles gut. Hat doch gar nicht wehgetan. Ist doch gar nichts passiert.“ (Gefühle negieren oder herunterspielen) 
  • „Jetzt stell dich nicht so an! Sei nicht schon wieder so bockig!“ (Gefühle ablehnen)
  • „Du musst keine Angst haben.“ (Gefühle entwerten)
  • „Ist gut jetzt! Hör mal auf zu weinen… Hier, schau mal, ein Eichhörnchen!“ (von Gefühlen ablenken)

Das sind nur einige Beispiele dafür, wie erwachsene Menschen Kindern ihre Gefühle absprechen und ihnen damit diese Botschaften mitgeben:

  • Du kannst deinen eigenen Gefühlen nicht vertrauen.
  • Negative Gefühle sind nicht erwünscht.
  • Gefühle sind bedrohlich und belastend.
  • Negative Emotionen müssen vermieden oder schnell beseitigt werden.

Hast auch du diese oder ähnliche Sätze als Kind von deinen Eltern, Großeltern, Erzieher:innen oder Lehrer:innen (oft nur in der guten Absicht, dich zu beruhigen) gehört? 

Fatal.

Dann hast du höchstwahrscheinlich auch gelernt, unangenehme Gefühle zu unterdrücken. Abzulehnen. Zu verdrängen. Herunterzuschlucken. Beiseite zu schieben. 

gesunder Umgang mit Gefühlen

Und was passiert mit Gefühlen, die wir nicht ausdrücken durften oder konnten? Sie verschwinden nicht einfach. Nein. Sie bleiben. Und wir tragen sie mit uns herum. Unverarbeitet und abgekapselt. In unserem emotionalen Rucksack. 

Und dann kannst du dir vielleicht vorstellen, wieso die Last auf deinen Schultern manchmal ganz schön schwer ist und ab und an negative Gefühle ungewollt aus dir heraussprudeln.

Wir haben gelernt, negative Gefühle nicht zuzulassen.

Verleugnung, Verdrängung und Ablenkung von negativen Gefühlen sind sogenannte Abwehr- oder Schutzreaktionen, die nicht wenige von uns bereits in ihrer Kindheit gelernt haben. Diese haben wir uns angeeignet, um uns den Wünschen unserer Bezugspersonen anzupassen (ruhig, brav oder tapfer sein) oder um uns als Kinder vielleicht auch vor einer emotionalen Überforderung und schädlichem Stress zu bewahren. 

Und weil wir uns in den betreffenden Situationen allein und nicht sicher genug gefühlt haben, die Gefühle zuzulassen, haben wir sie weggeschoben, um sie nicht fühlen zu müssen. 

Fast jeder Mensch hat irgendwann in seinem Leben auch Situationen erlebt, die emotional überfordernd waren ob als Kind oder im Erwachsenenleben. Dann sprechen wir von Traumata:

„[Ein Trauma ist eine] „seelische Verletzung“, (…) zu der es bei einer Überforderung der psychischen Schutzmechanismen durch ein traumatisierendes Erlebnis kommen kann.“

Deutsche Gesellschaft für Psychotraumatologie

Traumatisch wirken allerdings nicht nur schwere Ereignisse wie Gewalttaten, Kriegserlebnisse oder schwere Unfälle, die einen Menschen massiv erschüttern. Nein. Traumata entstehen auch und bei sehr vielen von uns infolge von Erlebnissen aus der frühen Kindheit. Wenn länger anhaltende Verhaltensweisen der eigenen Eltern von uns als Kinder als überfordernd oder bedrohlich erlebt werden und Spuren in der Seele hinterlassen. 

Solche sogenannten Entwicklungstraumata können z.B. entstehen, wenn:

  • wir als Babys immer wieder allein schreien gelassen wurden,
  • wir für unerwünschtes Verhalten mit Liebesentzug bestraft wurden,
  • unsere Eltern uns überbehütet und uns keinen Freiraum gegeben haben,
  • psychische Erkrankungen bei den Eltern eine Rolle spielten, die es dem betroffenen Elternteil unmöglich machten, das Kind angemessen (emotional) zu versorgen,
  • unsere Eltern keine Empathie für uns zeigten,
  • dem Ausdruck unserer Gefühle mit Härte begegnet wurde,
  • oder wenn ständiger Streit oder Gewalt zwischen den Eltern dauerhaft für Stress im Elternhaus sorgten.

Es gibt einige Expert:innen, die die Auffassung vertreten, jeder von uns hätte Entwicklungstraumata erlitten. Das bedeutet nicht automatisch, dass wir deshalb zeitlebens eine „Störung“ haben, sondern einfach, dass wir bestimmte Wunden in uns tragen.

In vielen Fällen können wir uns bewusst kaum oder gar nicht an konkrete Erlebnisse erinnern. Das meiste wird im Unterbewusstsein abgespeichert. In Form von Gefühlen.

In deinem emotionalen Rucksack sind also unverarbeitete Gefühle, von denen die meisten schon sehr alt sind. Und womöglich gesellen sich auch noch ein paar unterdrückte Gefühle von Situationen aus den letzten Monaten oder Jahren dazu. 

So sammeln sich Verletzungen, Schmerz, Wut, Trauer, Frust, Gefühle der Ohnmacht oder Hilflosigkeit und Angst in diesem Rucksack. Selbst, wenn du vielleicht denkst: „Hey, ist doch schon wieder gut.“ Oder: „War doch gar nichts.“ 

Und hier kommen wir zu den Triggern:

Trigger sind bestimmte Reize in der Gegenwart, die deinen emotionalen Rucksack öffnen. Sie lösen starke, der aktuellen Situation (von außen betrachtet) unangemessene Gefühle und Reaktionen aus, die aus deinem Unterbewusstsein stammen und mit der realen Situation gerade nicht allzu viel zu tun haben.

Das passiert, wenn du bei einer Lappalie explodierst und z.B. plötzlich den Autofahrer vor dir anbrüllst, weil er nicht geblinkt hat. Oder du fängst in einer Situation an zu weinen, die dich normalerweise gar nicht zum Weinen bringen würde.

Denn meist sind die Gefühle mit Erinnerungsfetzen verknüpft. Und so kann es passieren, dass ein Geräusch, ein Geruch, eine Verhaltensweise oder eben eine Situation dich triggern und unterdrückte Gefühle unkontrolliert herausströmen lassen.

Was genau passiert, wenn du getriggert bist?

Wenn du getriggert wirst, ist also etwas passiert (Reiz), das du so bewertest und interpretierst, dass dein inneres Alarmsystem aktiviert wird.

Rote Knöpfe werden gedrückt und unser uraltes, überlebenswichtiges Alarmsystem springt an. Das System, das uns in der Steinzeit vor dem Tod durch einen Säbelzahntiger bewahrt hat. Dann sind wir bereit zu kämpfen, zu fliehen oder zu erstarren.

Dieser Zustand ist weit von Vernunft und Selbstkontrolle entfernt. Denn die Kontrolle über unsere Reaktion übernimmt in solchen Momenten nicht unsere Vernunft, sondern unser Alarmsystem. Und das wittert gerade eine Gefahr. Wir verlieren die Kontrolle und handeln wie ferngesteuert. Wir sind dann auch nicht in der Lage, komplex zu denken denn es geht ums Überleben.

Dass wir (im Kampfmodus) völlig überreagiert haben, merken wir leider erst später.

Wie die Prägung aus deiner Kindheit deine Gefühlswelt heute beeinflusst

Weil viele unserer unverarbeiteten Gefühle aus deiner Kindheit stammen, geht unser emotionaler Rucksack meist auf, sobald wir Eltern werden. Denn viele Situationen mit unseren Kindern berühren Erinnerungsfetzen aus unserer eigenen Kindheit und katapultieren uns emotional dorthin zurück.

Aus uns wütet dann unser „inneres Kind“, also unterdrückte Gefühle, Ängste und Schmerz aus unserer eigenen Kindheit.

Wer selbst als Kind mit seinen Bedürfnissen nicht gesehen wurde, wird als Eltern die Erfahrung machen, dass die eigenen Kinder genau diese unverarbeiteten Gefühle triggern. 

Eine wichtige Rolle beim Getriggertwerden spielt auch unsere eigene Prägung. Also Annahmen, die wir in unserer Kindheit gelernt, von unseren Eltern oder anderen Bezugspersonen übernommen oder aus Erfahrungen für uns geschlussfolgert und abgespeichert haben. Diese zumeist unbewussten Überzeugungen wirken wie eine mentale Software. Sie entscheiden, wie wir Situationen wahrnehmen, interpretieren und bewerten. 

Nehmen wir zur Erklärung diese einfachen Beispiele:

  • Deine Eltern haben immer mit Härte reagiert, wenn du dich als Kind aufgeregt hast. Daraus könntest du für dich verinnerlicht haben, dass es sich bei Aufregung um eine Bedrohung handelt. Deshalb springst du heute sehr schnell in den Kampf- oder Fluchtmodus, wenn dein Kind mal lautstark protestiert. Was das Schlimme daran ist? Wenn du dich im Kampfmodus befindest, sieht dein Kind wie der Feind aus. Dann eskaliert die Situation sehr schnell und du verhältst dich womöglich genau so, wie du es eigentlich nicht möchtest. (Und wenn ich den Faden weiterspinne: Du reagierst dann womöglich ähnlich hart wie deine Eltern bei dir und pflanzt damit deine eigenen Trigger womöglich bei deinem Kind ein. Zu diesem Thema transgenerationale Traumata findest du am Ende dieses Artikels ein paar interessante Links zum Weiterlesen.)
  • Wenn du in deiner Kindheit nicht mit Respekt behandelt wurdest, bist du womöglich sehr sensibel, wenn du andere Menschen als respektlos empfindest. Auf die geringste Respektlosigkeit reagierst du dann mit großer Wut. Selbst bei einem Dreijährigen, der gar nicht in böser Absicht handelt und es einfach noch nicht besser weiß. In diesen Situationen empfindest und bewertest du das Verhalten des Kindes als respektlos und verlierst die Fassung.
  • Wenn du als Kind das Gefühl hattest, einfach nicht gut genug zu sein, so wie du warst, wirst du wahrscheinlich im Sumpf des Perfektionismus feststecken. Dann setzt du dir hohe, kaum erreichbare Maßstäbe und quälst dich mit Selbstkritik, wenn du deinem Ideal nicht entsprichst. 
  • Wenn du als Kind gemobbt wurdest, könnten soziale Schwierigkeiten deines Kindes dich triggern. Das wird es dir sehr schwierig machen, deinem Kind konstruktiv zur Seite zu stehen.

Andere mögliche Themen hinter Triggern könnten sein:

  • „Ich werde nicht gehört und nicht gesehen.“ (fehlende Anerkennung)
  • „Was ich möchte, ist anscheinend allen egal.“ (sich selbst zurücknehmen müssen) 
  • „Niemand dankt mir irgendetwas.“ (fehlende Wertschätzung)
  • „Mein Kind denkt nur an sich.“ (Egoismus)
  • „Was soll ich denn machen?!“ (Hilflosigkeit)
  • „XYZ ist gefährlich.“ (Ängste)

Kommt dir davon irgendetwas bekannt vor?

Wenn deine Eltern dir (vielleicht auch unbewusst) in deiner Kindheit das Gefühl gegeben haben, anders sein zu müssen ruhiger, gehorsamer, angepasster, disziplinierter dann hast du vielleicht Aspekte deiner Persönlichkeit unterdrückt und verdrängt. Auch das erzeugt Druck, der letztlich in deinem Rucksack landet und darauf wartet, bearbeitet zu werden. 

Ein Fingerdruck auf der Haut tut nicht weh. Ein Finger in einer Wunde schon.

Wie sehen typische Reaktionen aus, wenn wir getriggert sind?

Typischerweise denken wir beim Getriggertsein meist an extreme emotionale Ausbrüche: Herumschreien, Streiten, mit der Faust auf den Tisch hauen oder wutentbrannt den Raum verlassen. 

Was für mich ein großer Aha-Moment war: Einige Reaktionen können mitunter aber auch sehr subtil sein und sich sehr langsam oder zeitlich versetzt äußern. Du verbindest sie dann womöglich gar nicht mit der auslösenden Situation. Und das macht es schwierig, manche deiner Trigger klar zu erkennen.

Schau mal, ob du einige dieser möglichen Reaktionen vielleicht aus deinem Alltag kennst:

Kämpfen (Fight)

  • Du bist ungeduldig und genervt.
  • Du schimpfst und beschuldigst den anderen.
  • Du rastest aus, schreist, wirfst oder zerstörst Dinge oder wirst handgreiflich.
  • Du rechtfertigst dich.
  • Du fühlst dich als Opfer.

Fliehen (Flight)

  • Du verlässt fluchtartig die Situation.
  • Du hast einen Impuls zu rennen.
  • Dein Magen und Darm werden nervös.
  • Dein Körper ist angespannt, du hast vielleicht Kopfschmerzen.
  • Du lenkst dich ab oder flüchtest dich in Fantasiewelten, z.B. durch Shopping, Social Media, TV oder Gaming.

Erstarren (Freeze)

  • Du fühlst dich taub und stehst irgendwie neben dir.
  • Du distanzierst dich emotional von dem anderen.
  • Du wirst müde.
  • Du isst, ohne wirklich Hunger zu haben.
  • Du versuchst, dich mit Zigaretten oder Alkohol zu regulieren.

(Quelle: in Anlehnung an Dr. Laura Markham: Peaceful Parent, Happy Kids Workbook*)

Wenn du für dich mal reflektierst, in welchen Situationen du solche Reaktionen hattest, kannst du so vielleicht den einen oder anderen Trigger identifizieren.

Denn Getriggertsein heißt nicht automatisch, dass du auf 180 bist. Oft sind es eben auch Gefühle von Abwesenheit („Ich bin wie abgeschnitten“), Taubheit und Müdigkeit. Oder du greifst immer wieder reflexartig nach deinem Handy. Oder du hast ein häufiges und dringendes Verlangen nach Schokolade in akuten Stressmomenten. Oder du würdest am liebsten deine Koffer packen und abhauen.

Wenn dein Kind dich triggert: Hinschauen und dahinter schauen.

In Trigger-Momenten landen wir also in unserem Unterbewusstsein und reagieren auf Situationen in unserer Vergangenheit mit den Gefühlen, die wir in jenen Momenten unterdrücken mussten. 

Dein Kind triggert dich dann zwar mit seinem Verhalten. Aber: Es hat den Trigger bei dir nicht eingesetzt. Diese wunden Punkte trägst du schon eine sehr lange Zeit mit dir herum. Einige Themen sind dir vielleicht schon bewusst. Nicht wenige sind aber noch immer tief im Unterbewusstsein vergraben. 

Durch eine Auseinandersetzung mit unseren Triggern und den Situationen, die uns zum Ausbruch bringen, haben wir die Chance, unsere wunden Punkte zu erkennen und zu heilen.

Wenn wir diese Chance nicht nutzen, dann werden wir alten Ballast aus unserem emotionalen Rucksack vermutlich an unsere Kinder weitergeben.

Wollen wir das? Nein.

Deshalb liegt es an uns, uns unserer wunden Punkte und der dahinter liegenden Themen bewusst zu werden und einen gesunden Umgang mit unseren Gefühlen zu lernen.

Allein die Frage „Was genau hat mich in dem Moment eigentlich wirklich so aus der Fassung gebracht?“ schafft schon einen Abstand zwischen uns und unseren Triggern und einen Raum für Selbsterkenntnis.

Was können wir tun, wenn wir getriggert sind?

Egal, wo wir im Prozess der Selbsterkenntnis in Bezug auf unsere Trigger stehen was wir alle brauchen, sind Strategien, um uns wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Stichwort: Selbstregulation.

Und dann heißt es: Üben. Immer wieder. Denn Selbstregulation ist wie ein Muskel, der sich aufbauen und regelmäßig trainiert werden muss. Oder wie eine Sprache, die du lernen kannst. In all ihren Feinheiten. Und sehr individuell.

Der für mich wertvollste Tipp: Handele nie, wenn du getriggert bist. Halte inne. Konzentriere dich für einen Moment nur auf dich und deine Atmung. Reagiere nicht.

Mit Techniken der Achtsamkeit können wir lernen, uns in akuten Stressmomenten selbst zu regulieren und Verantwortung für unsere eigenen Gefühle zu übernehmen. Dazu kann mein 5-Schritte-Plan für dich hilfreich sein, den du als Geschenk in meinem ersten Newsletter bekommst:

Erziehen ohne Schreien - 5 Schritte für Achtsamkeit und Gelassenheit im Alltag mit Kind

An dieser Stelle möchte ich dir auch eine unglaublich hilfreiche Podcast-Folge zum Thema Selbstregulation empfehlen, in der es praktische Tipps und wissenschaftliche Hintergründe zu diesem Thema gibt: „Die Kraft der Selbstregulation“ von Verena König.

Wir brauchen eine Balance aus Hinschauen, kritisch sein, es uns zu Herzen nehmen, Schmerz zulassen, Gefühlen Raum geben und dem Kontakt zum Schönen, das uns umgibt und zur inneren Mitte, in der es friedvoll und erholsam sein kann.“

Verena König

Eine praktische Übung für dich: Selbstbeobachtung und Achtsamkeit mit deinen Triggern.

So. Nun zum Schluss möchte ich, wie versprochen, eine wirksame Übung zur Reflexion deiner Trigger mit dir teilen. Ich habe diese Übung selbst schon sehr oft gemacht und mache sie immer, wenn ich das Gefühl habe, wieder öfter Triggermomente im Alltag erlebt zu haben.

Die Fragen stammen aus dem Peaceful Parent, Happy Kids Workbook* von Dr. Laura Markham (leider nur in englischer Sprache erhältlich), das ich an dieser Stelle wärmstens empfehlen kann.

Erkenne deine Trigger.

Es heißt ja so abgedroschen: Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. (Gaaah, blaaaa!) Aber, sorry: Es ist wahr.

Mach diese Übung am besten regelmäßig, wenn du einen Moment Ruhe hast. Atme tief durch, entspanne dich und sei nachsichtig mit dir selbst. Es geht hier darum, dein eigenes Verhalten zu reflektieren und dir bewusst zu machen, in welchen Situationen du zu Ausrastern neigst und warum.

  • Denk an den heutigen Tag oder die letzten Tage: Wann bist du sehr wütend geworden und hast überreagiert bzw. dich in dem Moment so verhalten, wie du es eigentlich nicht wolltest? Wenn dir keine Situationen einfallen, dann versuche, dich die nächsten Tage und Wochen mal selbst zu beobachten und nach jedem Tag zu reflektieren. Vielleicht fallen dir dann auch Muster auf bzw. Situationen, die dich immer wieder aus dem Gleichgewicht bringen?
  • Achte in dem Moment des Erinnerns bewusst auf deinen Körper. Wie fühlt er sich an? Und wie hast du dich in den Situationen (emotional und körperlich) gefühlt?
  • Überlege: Welche Themen und Erfahrungen aus deiner Kindheit oder Annahmen bzw. Glaubenssätze könnten hinter diesem Trigger stehen?
  • Schreib dir dann konkrete Ideen auf, wie du in der betreffenden Situation deinen Ausfall hättest vermeiden können.

Hier ein Beispiel für die Reflexion:

Erziehen ohne Schreien Übung Selbstreflexion Trigger
In Anlehnung an Dr. Laura Markham (2018): Peaceful Parent, Happy Kids Workbook*

Du kannst dir ein weiteres Beispiel zusammen mit einem leeren Work Sheet zum Ausdrucken und Ausfüllen gern hier als PDF herunterladen.

Sich die eigenen Trigger bewusst zu machen, ist der erste und wichtigste Schritt zu mehr Achtsamkeit und einem gelasseneren Alltag nicht nur mit Kindern. 

Je bewusster wir uns unserer wunden Punkte sind, desto besser können wir vermeiden, dass unsere alten Gefühle das Steuer übernehmen. Irgendwann wirst du feststellen, dass du nicht mehr so leicht von diesen Dingen getriggert wirst.

Erziehen ohne Schreien - Wut und Bewusstmachen eigener Triggern

In den nächsten Monaten werde ich dir noch weitere praktische Übungen zur Verfügung stellen, um in Stresssituationen gelassen und empathisch auf das Verhalten deiner Kinder reagieren zu können. Wenn du auf dem Laufenden bleiben möchtest, trag dich gern für meinen Newsletter ein.

Solltest du für dich feststellen, du bekommst deine Gefühlsausbrüche nicht in den Griff oder du empfindest bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Trigger und Traumata Schmerz oder großen Stress, dann empfehle ich dir: Such dir einfühlsame und qualifizierte Hilfe. Eine Psychotherapie kann deine Lebensqualität nachhaltig verbessern – und ein großes Geschenk für dich und deine Kinder sein. Hilfe zu suchen und anzunehmen ist wahre Stärke.

Erziehen ohne Schreien: 3 Dinge, die wir aus der Auseinandersetzung mit dem Thema Trigger lernen

  1. Es geht meist gar nicht um das Verhalten unserer Kinder, sondern um die (alten) Gefühle, die in der Situation bei uns ausgelöst werden.
  2. Selbstregulation und Achtsamkeit sind kraftvolle Fähigkeiten, die jede:r lernen kann und die uns in Momenten des Getriggertseins wieder „zurück“ holen.
  3. Wir sollten unseren Kindern ihre Gefühle nicht absprechen. Nie. Wirklich, nie. Sondern konsequent spiegeln und anerkennen. Denn ihre Gefühle gehören nur ihnen. Nur so können sie lernen, gesund mit ihren Gefühlen umzugehen, und haben die Chance, mit einem möglichst leichten emotionalen Rucksack durchs Leben zu gehen. Gleiches gilt im Übrigen für unsere eigenen Gefühle: Wahrnehmen, anerkennen und: fühlen.
gesunder Umgang mit Gefühlen

Dich interessiert das Thema Traumata?

Dann habe ich hier ein paar Empfehlungen für dich zum Weiterlesen und -hören:

Mein Buchtipp: Auch alte Wunden können heilen Wie Verletzungen aus der Kindheit unser Leben bestimmen und wir dennoch Frieden finden können* von der Traumatherapeutin Dami Charf.

Hier ein sehr spannender journalistischer Artikel von Anne Albinus auf ihrem Blog „weltfremd“ darüber, wie kollektive Traumata über Generationen weitergegeben und schwarze Pädagogik aus Kriegszeiten bis heute auch in unserer Generation nachwirken: Hitler im Herzen: Wie Erziehung dich und dein Kind traumatisiert.

Wer gern lauscht, hier nochmal der unglaublich tolle und lehrreiche Podcast von der Traumatherapeutin Verena König über genau dasselbe Thema mit fundierten, sehr gut verständlichen psychologischen Hintergrundinfos und Inspirationen. Zwei sehr spannende Folgen passend zum Thema sind z.B. „Die Macht der dunklen Vergangenheit Transgenerationale Traumatisierung“ und „Kann ich dem Leben vertrauen? Entwicklungstrauma verstehen“. Unbedingt reinhören, wenn dich das Thema interessiert oder berührt!

erziehen ohne schreien

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6 Kommentare

  1. Danke für den wertvollen Artikel und die vielen hilfreichen Tipps zu Triggern.

    Wobei ich noch unterstützen brauche, ist die Interpretation der Trigger also was das für ein Thema in der Vergangenheit dahinter stecken könnte.
    Hast du dazu auch noch einen Buch Tipp oder anderweitige Literatur bzw Links?

    Danke und Grüße
    Jule

    • Susanne

      Hej Jule, freu mich, dass der Artikel für dich nützlich ist. <3 Alle für mich hilfreichen Quellen hab ich in diesem Artikel verlinkt. Wenn es um das Thema Interpretation der Trigger geht, glaube ich, dass Selbstbeobachtung und Reflexion der Schlüssel sind. Es geht ja um uns selbst. Hier können wir uns mit verschiedenen Fragen auseinandersetzen: Welche Verhaltensweisen wurden von mir erwartet, als ich ein Kind war? Was war tabu / was wurde bestraft? Wie gingen meine Bezugspersonen mit meinen Gefühlsstürmen um? Wie fühle ich mich heute, wenn mein Kind einen Gefühlssturm hat? Wurden meine Grenzen als Kind respektiert? Habe ich gelernt, mich abzugrenzen? Welche Glaubenssätze haben mich geprägt? Was waren typische Sätze, die meine Eltern gesagt haben? - Solche Fragen können Ausgangspunkte für eine (liebevolle) Selbsterforschungsreise sein - und zu mehr Mitgefühl für dich selbst und deine Gefühle führen. Das Workbook von Dr. Laura Markham*, aus dem auch die Reflexionsübung stammt, gibt es inzwischen auch auf Deutsch. Das Buch war mein Einstieg in das Thema. Ansonsten finde ich den Podcast von der Traumatherapeutin Verena König („Kreative Transformation“) und die Arbeit von Dami Charf (Blog und YouTube-Kanal) sehr lehrreich! (Hinweis zur Transparenz: Der mit (*) versehene Link ist ein Affiliate-Link, bei dem ich bei einem Kauf eine kleine Provision von Amazon erhalte – ohne Merkosten für dich. Damit unterstützt du meine Arbeit für diesen Blog.)

  2. Wieso wird dieser Blog nicht als peacefull mom&dad oder parents oder gar liebevolle Eltern bezeichnet? Ist das im Zeitalter des genders nicht auch eine Abwertung, Ausgrenzung? Bei dem interessantenund ansprechendem Inhalt empfinde ich das als Vater sehr schade.

    • Hej, lieben Dank für dein Feedback und auch für deine Kritik! Deine Gedanken kann ich absolut nachvollziehen, wobei ich jetzt nicht von Abwertung oder Ausgrenzung sprechen würde. Ich richte mich explizit an alle Eltern, Großeltern und Menschen, die sich für diese Themen interessieren. Die Namensgebung meines Blogs hat den Hintergrund, dass ich auch meinen persönlichen Lernweg, meine Gedanken, Perspektiven als Zweifach-Mom in meine Blogartikel einfließen lasse. Rein inhaltlich hast du allerdings recht! 🙂 Es geht um bewusste und liebevolle Elternschaft und Selbstreflexion – und wenn man es auf eine noch höhere Ebene zieht, darum, wie wir mit uns selbst und unseren Mitmenschen umgehen. Danke für deine Gedanken. <3

  3. Toller Artikel! Auslöser zu verstehen ist der Schlüssel zu einer friedlichen Erziehung. Danke für die aufschlussreichen Grundlagen der Psychologie

    • Danke, Sophie! <3 Für mich ist dieses Wissen sehr hilfreich. Freu mich, dass es dir genauso geht!

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