Dein Kind akzeptiert dein Nein nicht? – 2 simple Tipps

Kind akzeptiert kein nein

Wie oft am Tag sagst du zu deinem Kind ’nein‘? Fühlst du dich manchmal auch, als wäre „Nein“ dein zweiter Vorname? Eine echt undankbare Rolle. „Nein, ich kann jetzt nicht mit dir spielen. Nein, du hast schon so viele Kuscheltiere! Nein, wir müssen jetzt los. N-E-I-N!“

Ohne Zweifel: Nein ist ein sehr wichtiges Wort. Nicht ohne Grund eines der ersten, die Kleinkinder lernen. Und Neinsagen gehört auch zu unserem Job als Eltern. 

Keine Frage.

Aber kann es vielleicht sein, dass wir dieses kleine große Wort im Alltag viel zu schnell und viel zu oft sagen?

Ich wage zu behaupten, dass dies eine mögliche Antwort auf die Frage sein könnte, warum dein Kind dein Nein nicht akzeptiert.

Denn, seien wir mal ehrlich: Niemand von uns hört doch gern ein ‚Nein‘, oder?

Und wir dürfen nicht vergessen: Unsere Kinder sind Menschen mit eigenen Wünschen und Vorstellungen, für die sie einstehen. Nur: je öfter wir nein sagen, desto öfter kann es auf Nichtakzeptanz bei unseren Kindern stoßen. Im schlimmsten Fall finden wir uns dann in einem Machtkampf wieder. Und dieser ist für alle Beteiligten anstrengend und unbefriedigend.

Es geht mir hier nicht um die Frage, ob wir bestimmte Wünsche oder Ideen unserer Kinder ablehnen dürfen. Ich halte es für sehr wichtig, sinnvolle Grenzen zu setzen und unseren Kindern vorzuleben, wie wir uns ehrlich abgrenzen.

Worum es mir aber geht, ist unsere Haltung und das Wörtchen „sinnvoll“. Denn wie oft sagen wir aus Prinzip nein – und wissen bei genauerem Überlegen gar nicht so genau, warum eigentlich? 

Und vor allem: Wie sagen wir nein zu unserem Kind?

Dazu ein kleiner Perspektivenwechsel: Wenn uns ein Freund oder die Chefin um einen Gefallen bittet und es mal nicht geht: Antworten wir direkt mit einem harten „NEIN!“? Ohne Begründung? Und das vielleicht, weil er oder sie lernen muss, dass es nicht immer nach seiner oder ihrer Nase gehen kann? Schieben wir dann noch ein scharfes „Ich habe NEIN gesagt!“ hinterher?

Wohl kaum.

Und bei unseren Kindern?

Mit den zwei nachfolgenden Tipps gehen wir raus aus der Spielverderber- und Prinzipienreiter-Ecke. Und rein in eine offene und einfühlsame Haltung die deinem Nein einen ganz anderen Anstrich verleiht. 

Dabei schaffen wir eine Verbindung. Und das, obwohl wir Grenzen setzen und halten.

Klingt das gut?

Starten wir mit dem ersten, sehr simplen Tipp:

Tipp #1: Frage dich: Ist das Nein wirklich nötig? Oder kannst du nicht auch einfach zustimmen?

Immer wieder beobachte ich – auch an mir selbst – dass ein Nein gegenüber den Kindern oft leichter über die Lippen kommt als ein Ja. Dieser Hang zum Neinsagen kann verschiedene Gründe haben:

  • Entweder, weil etwas aus physikalischen, ethischen, rechtlichen oder anderen Gründen tatsächlich nicht möglich ist
  • oder es zwar möglich wäre, aber zu unbequem, umständlich, anstrengend oder zeitraubend für uns wäre (was natürlich nicht per se verwerflich ist)
  • oder wir wollen unser Kind schlicht und einfach spüren lassen, dass es nicht immer das haben oder machen kann, was es will.

Und klar, es stimmt: Kinder müssen sich an Frustrationen gewöhnen. Denn das Leben hält so manche Situation bereit, in der unsere Kinder an Grenzen stoßen, mit denen sie werden umgehen müssen.

Aber müssen wir nur deshalb öfter nein sagen? 

Alfie Kohn* schreibt dazu:

„Es gibt mehr als genug Gelegenheiten, um zu lernen, wie man mit Grenzen umgeht, und (…) dass es unmöglich ist, alles zu bekommen, was man will. Eltern brauchen nicht noch solche Gelegenheiten hinzuzufügen, indem sie nein sagen, wenn sie hätten ja sagen können. (…)

Außerdem ist die beste Vorbereitung für Kinder auf die Herausforderungen der „wirklichen Welt“ das Erleben von Erfolg und Freude. Menschen können nicht besser mit Unglück umgehen, wenn sie als Kinder absichtlich unglücklich gemacht wurden.“

Alfie Kohn in: Liebe und Eigenständigkeit (S. 157)

Deshalb ist einer seiner 13 Grundsätze für Eltern:

Nicht nein sagen, wenn ein Ja möglich wäre.

kindern grenzen setzen

Öfter ja zu den Ideen, Vorschlägen und Fragen unserer Kinder zu sagen hat vier große Vorteile:

  1. Wir ermutigen unsere Kinder, mehr auszuprobieren und eigene Erfahrungen zu sammeln. Stichworte: Selbstwirksamkeit und Autonomie.
  2. Unsere Kinder sehen uns als Partner statt als Gegner, spüren unser Vertrauen und entwickeln Selbstvertrauen.
  3. Wir müssen nicht eine endlose Reihe an Verboten durchsetzen, die häufig zu Konflikten führen. Und wir verlieren nicht an Glaubwürdigkeit, wenn wir öfter mal zurückrudern (müssen) und unserem Kind dann doch seinen Willen lassen.
  4. Unser Nein bekommt einen größeren Wert, wenn es wirklich notwendig ist.

Also weg vom inflationären und (teils) unbegründeten Neinsagen. Je mehr dein Kind spürt, wie achtsam du mit deinem Nein umgehst, desto eher wird es bereit sein, es zu akzeptieren.

Denn: Mehr Freiheit und Selbstbestimmung machen so manchen Widerstand und Kampf überflüssig. 

Und das ist wiederum gut für die Beziehung zu deinem Kind.

Für die vielen kleinen Situationen, in denen wir Grenzen setzen und nein sagen müssen, ist der zweite Tipp sehr hilfreich.

Tipp #2: Wandele dein Nein in ein „Ja mit Bedingungen“ um. 

Nein ist ein hartes Wort. Es stellt eine Mauer auf und führt oft zu Widerstand. Innerlich und äußerlich. 

Und überhaupt: Die Art, wie wir mit unserem Gegenüber reden, hat großen Einfluss auf unsere Beziehung. Positive Kommunikation kann in vielen Momenten sehr hilfreich und beziehungsfördernd sein.

In ihrem New York Times Bestseller Disziplin ohne Drama: Achtsame Kommunikation mit Kindern* gibt die Psychologin und Bindungsexpertin Tina Payne Bryson einen einfachen, aber sehr wirksamen sprachlichen Kniff, der gleichzeitig auch ein wenig an unserer Haltung rüttelt:

Finde ein Ja in deinem Nein.

kind akzeptiert nein nicht

Denn in jedem Nein verbirgt sich auch ein Ja: Ein Ja zur Verbindung mit deinem Kind. 

Und ein „Ja, ich sehe und respektiere dich mit deinem Wunsch.“

Es mag im ersten Moment komisch klingen, ein „Ja mit Bedingungen“. Irgendwie nach Manipulation. Oder schwammige Politiker:innensprache. Aber das ist es nicht.

Es geht darum, deinem Kind die größtmögliche Freiheit innerhalb einer Grenze aufzuzeigen.

Dazu am besten ein Beispiel: Es ist Zeit zum Baden. Dein Kind möchte aber weiterspielen.

Statt zu sagen: 

„Nein, wir baden JETZT.“

Versuche: 

„Ich sehe, du bist noch nicht fertig mit deinem Turm und möchtest weiterbauen. Das darfst du auch. Nach dem Baden.“

Oder: „Ja, ich sehe, du möchtest noch weiterspielen. Wollen wir dieses Spielzeug mit ins Badezimmer nehmen?“

Ein harsches Nein können wir umwandeln in ein einfühlsames, verbindendes Ja – und zwar so, dass es für uns im Rahmen des Möglichen bleibt.

Das geht auf verschiedenen Wegen:

1. Ja, zu einer anderen Zeit

„Oh, ja. Du findest dieses Spielzeug toll und möchtest so eins auch gern haben! Wollen wir es auf deine Geburtstagsliste schreiben?“

„Du kannst gern nach dem Mittagessen ein Stück von dem Kuchen essen.“

2. Ja, an einem anderen Ort.

„Du darfst klettern. Draußen auf dem Klettergerüst.“

3. Ja, in der Fantasie.

„Oh ja, das wäre echt toll! Wie würde das tollste Auto für dich aussehen, wenn du jedes Auto der Welt haben könntest?“

„Oh, das würde ich sofort für dich machen, wenn das möglich wäre!“

Ich persönlich liebe dieses „Ja in der Fantasie“. Es kann zu wirklich schönen Gesprächen führen. Denn manchmal geht es deinem Kind wirklich nur darum, sich mitzuteilen. Ohne Forderung.

4. Ja, wenn…

Klar, wir können malen, wenn wir die Puzzleteile eingesammelt haben und der Tisch frei ist.“

5. Ja zum Gefühl

Du hast gerade Lust auf etwas Süßes, oder? Wollen wir mal schauen, ob wir die Mango schon essen können?“

„Ja, du bist traurig, dass wir schon nach Hause gehen müssen…“

Hier geht es um Empathie und das Anerkennen von Gefühlen.

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Wichtig beim „Ja mit Bedingungen“

  • Das bedingte Ja bedeutet nicht, dass du allem zustimmen sollst. Es ist lediglich eine wertschätzende Art zu kommunizieren und ein Weg, sparsam mit dem Wort Nein umzugehen, wann immer es in deinen Augen möglich ist.
  • Es ersetzt ein klares, unmissverständliches Nein nicht, das in bestimmten Situationen definitiv seine Berechtigung hat.
  • Vermeide das Wort „aber“. Denn damit schiebst du (sprachlich gesehen) wieder eine Schranke ein.
  • Mit dem bedingten Ja setzt du dieselbe Grenze, die du mit einem klaren „Nein“ setzen würdest. Aber auf eine verbindende und positive Art.

An manchen Stellen geht es weniger darum, ob ich ja oder nein sage – sondern vielmehr, ob ich mein Kind in dem sehe, was es macht, was es fühlt und was es sich wünscht.

Denn wir Menschen wollen doch vor allem eines: gesehen werden. Oder?

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Unsere Kinder lernen von uns, freundlich nein zu sagen.

Ein positiver Nebeneffekt: Unsere Kinder werden weniger harsch nein zu uns sagen. Warum? Weil wir es auch nicht tun. Sondern offen sind und ihre Vorstellungen anerkennen. Denn, wie bei allem, sollten wir uns bewusst sein: Wir sind die Vorbilder unserer Kinder.

(Ich weiß, da erzähle ich nichts Neues.)

Ich selbst bin ein großer Fan vom bedingten Ja – und mein vierjähriger Sohn hat es inzwischen auch für sich entdeckt:

„Ja, Mama, du darfst deinen Tee in Ruhe austrinken – bei mir im Wohnzimmer.“

„Ja, ich baue noch zu Ende, dann komm ich zum Abendessen.“

Und ich kann sagen: I love it.

Meine Buchempfehlungen

Zu diesem Artikel kann ich dir diese Bücher ans Herz legen:

Liebe und Eigenständigkeit: Die Kunst bedingungsloser Elternschaft, jenseits von Belohnung und Bestrafung* von Alfie Kohn.

Dieses Buch hat meine Haltung sehr geprägt und meine Vorstellung darüber, was bedingungslose Elternliebe wirklich bedeutet. Ein Augenöffner. Ich wünschte, es wäre eine Pflichtlektüre für alle Eltern.

Disziplin ohne Drama: Achtsame Kommunikation mit Kindern* von Daniel J. Siegel & Tina Payne Bryson.

Das Buch enthält wissenschaftsbasierte, sehr gut umsetzbare Tipps für eine achtsame Kommunikation mit Kindern. Durch und durch beziehungsorientiert. Sehr praktisch: die „Kühlschrank-Notizen“ zum schnellen Nachlesen.

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Empathisch Grenzen setzen. Dein Mini-Guide (eBook)

Kurz, greifbar und bildlich gibt mein E-Book Antworten auf die wichtigsten Fragen: Mit welcher Haltung setzen wir Kindern Grenzen? Wie erkennen wir sinnvolle Grenzen? Wie kommunizieren wir Grenzen wertschätzend und klar? Und was tun, wenn das Kind protestiert? Wissen aus verschiedenen (beziehungsorientierten) Elternratgebern, zusammengefasst auf 26 Seiten im Cheat Sheet-Stil. Mit Schritt-für-Schritt-Formulierungshilfen, Reflexionsfragen und Infografiken, wie du sie aus meinen Blogartikeln kennst. Du kannst das E-Book hier direkt kaufen. (Eigenwerbung)

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2 Kommentare

  1. Ich glaube, dass heutzutage viele Eltern dieses Prinzip in ihrer Erziehung anwenden. Aber wir erziehen heute auch nicht mehr. Wir begleiten die Kinder auf ihrem Weg. Dabei geht manchem Kind etwas an Orientierung verloren. Selbst mitentscheiden macht Kinder stärkt. Allerdings hinkt die neue Erziehungsmethode. Die selben Eltern, die ihr Kind mitentscheiden lassen wollen, ob es den Kindergarten mag oder nicht. Allein vom Auto in die Gruppe gehen möchte…
    Wollen aber, dass ich dafür sorge, dass die Brotdose leer gegessen wird. Da darf das Kind nicht entscheiden, wann es satt ist.
    Ich glaube an die Erziehungspartnerschaft zwischen Kita und Elternhaus. Sie kann funktionieren, wenn die Partner an einem Strick ziehen und sich aufeinander verlassen können. Es klappt aber nicht, wenn die Mutter zu ihrem Kind sagt:“Jetzt frag selber, ob du das Handy hier in der Gruppe spielen darfst!“
    Damit6hat die Mutter ihr „Nein“ vermieden und ich habe den Rest des Tages ein trauriges Kind in der Gruppe, weil ich Nein sagen musste. Aber ich hätte auch sagen konnen: „Hier6im Kindergarten spielen wir mit anderen Sachen. Aber später darfst du es bestimmt zu Hause wieder6spielen.“
    Aber so etwas würde eine Erzieherin niemals sagen.

    • Liebe Christa, danke für deine Gedanken! Daraus lese ich, dass du als Erzieherin arbeitest, richtig? Ich stimme dir zu: Kinder brauchen Orientierung durch einen zuverlässigen Rahmen (Grenzen) und Freiheit, innerhalb dieses Rahmens eigene Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig denke ich auch, wir tun unseren Kindern keinen Gefallen, wenn wir ihnen zu viele (wichtige) Entscheidungen aufbürden und „unbequeme“ Entscheidungen aus Angst vor kindlichen Gefühlen umgehen.

      Auch der Aspekt der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Erzieher*innen und Eltern ist in meinen Augen sehr wichtig. Ich kann mir vorstellen, dass es für Erzieher*innen (und auch für die Kinder) schwierig werden kann, wenn da Unklarheit herrscht und der Ball hin und her gespielt wird.

      Worum es in diesem Artikel geht, ist eine Haltung von Verständnis für das Kind und die Fragen: Ist ein hartes Nein in dieser speziellen Situation notwendig? Oder besteht ein Handlungsspielraum für mein Kind innerhalb dieses Neins? Ganz oft ist das der Fall. Es geht um eine empathische Haltung, um achtsame Kommunikation, ums Zuhören und Validieren – und darum, das Kind in seinem Wunsch zu sehen und genau das mit Worten auszudrücken. Ein hartes Nein ist an bestimmten Stellen natürlich notwendig (und legitim und okay) – aber eben nicht immer. Ein bedingtes Ja (wo es passt) nimmt Härte raus, zeigt Möglichkeiten auf und das Kind fühlt sich weniger machtlos. Voraussetzung und Basis dafür ist jedoch ein klarer, zuverlässiger Rahmen.

      Liebe Grüße
      Susanne

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